Gebissarten für Pferde und ihre Wirkung
Ein Großteil der Reiter benutzt zur Kommunikation mit dem Pferd ein Reithalfter mit Trensengebiss. Wie auch beim Sattel muss bei der Auswahl des passenden Gebisses ein kritisches Auge auf dessen Übereinstimmung mit Pferdemaul, dem Pferdecharakter, dem Ausbildungsstand von Pferd und Reiter und dem Trainingsziel geworfen werden. Immerhin handelt es sich hierbei um einen Fremdkörper im Pferdemaul, das aufgrund seiner Zähne und dünnen Schleimhäute äußerst empfindlich ist. Daher geben wir dir in diesem Ratgeber Aufschluss darüber, warum ein gutes Gebiss zwingend notwendig ist und verschaffen einen Überblick darüber, welche Trensengebisse für dein Pferd infrage kommen würden.
Warum ein gutes Gebiss so wichtig ist
Das Trensengebiss ist im Trensenzaum an den Backenstücken befestigt und liegt im Pferdemaul in der zahnfreien Lücke zwischen Backen- und Schneidezähnen – in den sogenannten Laden. Die Zügel werden unterhalb der Backenriemen in die Gebissringe verschnallt. Wenn das Trensengebiss korrekt verschnallt ist, dann liegt es ruhig in der Mitte der Laden, bringt das Pferd nicht zum „grinsen“, hängt aber auch nicht locker durch, sodass das Pferd damit spielen und die Zunge pausenlos darüber legen kann.
Die Verschnallung des Trensenzaums ist für die korrekte Lage des Gebisses im Pferdemaul essentiell. Wie du einen Trensenzaum auf die Kopfgröße deines Pferdes einstellst, kannst du in unserem Trensenzaum-Ratgeber nachlesen.
Für eine deutliche Kommunikation zwischen Reiter und Pferd greifen viele Reiter zu einem Trensengebiss. Alternativ kann man auch gebisslos reiten – die Möglichkeiten des gebisslosen Reitens kannst du im entsprechenden Ratgeber über Gebisslos Reiten entdecken. Besonders, weil das Gebiss die Brücke zu einer feinen Kommunikation beim Reiten sein kann, sollte man auch bedenken, dass das Pferdemaul ein besonders sensibler Bereich ist. Die Schleimhäute sind hauchdünn und das Gebiss liegt unmittelbar auf der Zunge mit ihren vielen Nerven auf. Fällt das Gebiss für das Pferdemaul zu groß aus, kann es direkt auf die Kieferladen, also den Knochen drücken und schmerzen. Ist das Trensengebiss hingegen zu klein, zieht es sich unangenehm in die Maulwinkel und klemmt die Lefzen ein.
Ein gutes Gebiss zeichnet sich außerdem dadurch aus, dass seine Oberfläche intakt ist, da es sonst zu Verletzungen im Maulraum kommen kann.
Neben der Größe und Machart des Gebisses wird gerne einmal das Material unterschätzt. Denn durch den Kontakt zwischen Speichel und Gebiss kann es beim Pferd zu allergischen Reaktionen kommen, die sich als Rötungen, Bläschen und kahle Stellen ums Maul bemerkbar machen. Auch im Hinblick auf geeignete Materialien eines Gebisses sollte man sich also Gedanken machen.
Mit einem guten, passenden Gebiss fühlt sich das Pferd wohl, woraufhin es rittig ist und die Losgelassenheit und infolgedessen die Durchlässigkeit leichter und schneller erreicht. Daher ist es von höchster Wichtigkeit, dass sowohl das Gebiss optimal passt als auch der Reiter sich über die Sensibilität des Pferdemauls im Klaren ist.
Neben der Passgenauigkeit des Gebisses ist immer ein korrekt trainiertes Pferd und eine gefühlvolle Reiterhand Voraussetzung für den pferdegerechten Einsatz eines Gebisses. Jeder Reiter sollte dieses Thema mit größter Sorgfalt behandeln. Der Reiter muss auf sein Pferd hören und darf das Gebiss nicht dazu missbrauchen, eigene Unzulänglichkeiten damit ausgleichen zu wollen. Einmal ein Gebiss ausgesucht und angepasst, bedeutet es weiterhin nicht, sich vor regelmäßigen Nachkontrollen zu verschließen.
Die verschiedenen Gebissarten und ihre Wirkung
Auf dem Markt gibt es eine Fülle an Gebissen, die sich durch ihre Art und Wirkung, Aufbau, Größe und Material voneinander abgrenzen. Dieses Mosaik aus Trensengebissen hat jedoch seine Berechtigung, da die Wahl des Gebisses vom Ausbildungsstand von Reiter und Pferd, Reitweise, anatomischen Voraussetzungen und Vorlieben des Pferdes abhängig ist. Nachfolgend haben wir die wichtigsten und häufigsten Gebissarten und ihre Wirkung aufgezählt.
Einfach und doppelt gebrochene Wassertrense
Eine Wassertrense erhält ihren Namen daher, da Pferde mit ihr im Maul problemlos trinken können. Sie gibt es in einfach gebrochener oder doppelt gebrochener Form, wobei beide Arten über durchlaufende Ringe verfügen. Bei einer einfach gebrochenen Wassertrense besteht das Mundstück aus zwei gleichlangen Gebissteilen, die über ein bewegliches Gelenk miteinander verbunden sind. Im Gegensatz dazu ist bei einer doppelt gebrochenen Wassertrense ein kleines Mundstück dazwischen gelegt, sodass wir zwei Gelenke haben.
Wirkung: Eine einfach gebrochene Wassertrense wirkt auf Zunge und Unterkieferlade. Der mitunter größte Vorteil einer Wassertrense ist die Unabhängigkeit der einseitigen Zügelhilfe. Wird der Zügel auf der einen Seite angenommen, bewegt sich aufgrund des Gelenks nur die entsprechende Seite des Gebisses und weist das Pferd in diese Richtung. Dadurch sind klar voneinander getrennte Hilfen möglich. Bei beidseitigem Zug stellt sich das Gelenk in der Mitte auf und kann Druck auf den Gaumen aufbauen.
Früher glaubte man, dass es hierbei zum Verkanten des Gebisses, dem sogenannten „Nussknackereffekt“ kommt. Das ist jedoch nur bei zu dicken und zu großen Gebissen der Fall. Denn bei einem einfach gebrochenen Gebiss kann das Pferd durch Anheben der Zunge dem Druck entweichen und ein Verkanten des Gebisses verhindern.
Auswahl an einfach gebrochenen Gebissen
Bei einem doppelt gebrochenem Gebiss liegt das Mundstück großflächig auf und umschließt die Zunge enger. Das Gebiss liegt dadurch ruhiger im Pferdemaul, verübt aber gleichzeitig einen leichten, steten Druck aus – selbst bei hingegebenem Zügel. Demnach wirkt eine doppelt gebrochene Trense weniger punktuell und kann damit die Hilfen leicht verwässern.
Die durchlaufenden Ringe können eine unruhige Reiterhand etwas abfangen. Aus diesem Grund ist eine Wassertrense mit einfachem Gelenk für sowohl Reitanfänger als auch Jungpferden das Einsteigergebiss schlechthin.
Auswahl an doppelt gebrochenen Gebissen
Olivenkopfgebiss
Ein Olivenkopfgebiss unterscheidet sich von einer Wassertrense nur durch ihre festen Seitenteile. Die Mundstücke verlaufen nach außen hin etwas breiter und gehen dann in die Gebissringe über, die fest über ein Scharniergelenk mit dem Mundstück verbunden sind. Olivenkopfgebisse sind aufgrund ihrer Dicke nicht für jedes Pferd geeignet, da vor allem Pferde mit kleinem/engen Maul mit einem Olivenkopfgebiss sehr viel Metall im Maul haben. Eine gute Alternative zu diesem Modell wäre eine D-Ring Trense. Ein Olivenkopfgebiss gibt es sowohl in der einfach gebrochenen als auch doppelt gebrochenen Variante.
Wirkung: Ein Olivenkopfgebiss bietet dem Pferd durch seine festen Ringe mehr seitliche Führung und Begrenzung als eine Wassertrense mit durchlaufenden Ringen. Daher ist eine direktere Einwirkung auf Unterkieferlade und Zunge möglich, die Signale kommen schneller und deutlicher beim Pferd an. Man könnte also sagen, dass ein Olivenkopfgebiss „schärfer“ wirkt als eine Wassertrense.
Auswahl an Olivenkopfgebissen
D-Ring Trense
Eine leichte Abwandlung des Olivenkopfgebisses ist die D-Ring Trense, die ihren Namen durch die festen Seitenteile erhält, die die Form des Buchstabens D haben. Das Mundstück verdickt sich nicht wie beim Olivenkopf zum Ring hin, sondern die Mundstücke bleiben schmal. D-Ring Trensen sind damit auch für Pferde mit wenig Platz im Maul gut geeignet.
Wirkung: Die D-förmigen Seitenteile bieten eine seitliche Begrenzung. Je länger die Seitenteile sind, desto stärker fällt die seitliche Anlehnung aus. Wird der Zug auf der einen Seite angenommen, zieht sich der gegenüberliegende Ring nicht in die Maulspalte wie bei durchlaufenden Ringen und klemmt die Maulspalte nicht ein.
Stattdessen verteilt sich der Druck entlang der Lefze und das Pferd wird sozusagen von der gegenüberliegenden Seite in Zügelzugrichtung gedrückt. Ähnlich wirkt eine Schenkeltrense. Diese gibt durch ihre langen Schenkel, die keinerlei Hebelwirkung haben, noch mehr seitliche Begrenzung.
Eine D-Ring Trense ist daher besonders bei steifen Pferden empfehlenswert, die sich aus körperlichen oder psychischen Gründen nicht rund machen wollen.
Auswahl an D-Ring und Schenkeltrensen
Stangengebiss
Wie der Name bereits vermuten lässt, besteht ein Stangengebiss aus einem festen Mundstück ohne bewegliches Gelenk. Die Seitenteile können feste oder durchlaufende Ringe sein. Bei einem Stangengebiss ist die korrekte Wahl der Gebissweite besonders wichtig, da ein zu großes Gebiss sonst hart auf die Zungenränder und Unterkieferladen drückt.
Wirkung: Das Stangengebiss liegt gleichmäßig auf der Zunge auf und verteilt den Druck über die komplette Zungenbreite stetig, auch bei hingegebenem Zügel.
Die Stellung und Biegung des Pferdes ist mit einem Stangengebiss nur bedingt möglich, da bei einseitigem Zügelzug die Stange kippt und verkantet. Dadurch drückt sie auf der gegenüberliegenden Seite auf die obere Lade. Ein Stangengebiss eignet sich aus diesem Grund eher für weit ausgebildete Pferde, die sich ohne großen Aufwand mit feinen Hilfen stellen und biegen lassen.
Eine besondere Form der Stangengebisse ist die Springkandare, auch Babykandare oder Kimblewick genannt.
Dank drei Einschnallmöglichkeiten der Zügel in die Gebissringe zielt eine Springkandare drei unterschiedliche Wirkpunkte ab: auf Laden und Zunge, auf Unterkiefer und Kinn oder auf das Genick.
Die Springkandare ist in der Ausbildung sehr gut als Vorstufe zur Dressurkandare geeignet.
Auswahl an Stangengebissen
Pelham
Ein Pelham ist eine Kombination aus Trense und Kandare mit Hebelwirkung, das aber im Gegensatz zur Kandare ohne Unterlegtrense geritten wird. Das Pelham gibt es als Stange, doppelt oder einfach gebrochen und wird korrekterweise mit vier Zügeln geritten. Es kann auch über einen Pelhamriemen mit nur einem Zügelpaar geritten werden. Bei dieser Verschnallung verwässert die Signalgebung stark, weshalb ein Pelham mit nur einem Zügelpaar lediglich zum Bremsen stürmischer Pferde genutzt werden kann.
Wirkung: Das Pelham wird mit Kinnkette geritten, damit es ab einem Winkel von 45 Grad zu einer Begrenzung der Hebelwirkung kommt. Der direkt am Mundstück verschnallte Zügel wirkt auf die Laden und den Unterkiefer, das zweite Zügelpaar am unteren Baum verschnallt wirkt auf das Genick. Die gebrochene Variante des Pelhams wirkt außerdem auf die Maulwinkel. Daher empfiehlt sich hier das Zwischenschieben von Gebissscheiben, um ein Einklemmen der Lefzen zu vermeiden.
Das Pelham ist aufgrund seiner Hebelwirkung bereits als scharfes Gebiss einzustufen und gehört demnach nur in erfahrene Hände. Wer das Pelham als „Bremse“ benutzt, sollte sich Gedanken über eine angemessene Ausbildung des Pferdes machen, da die Benutzung des Pelhams in diesem Fall keine dauerhafte Lösung darstellt. Ansonsten ist es in der gebrochenen Variante ein sehr gutes Gebiss für Pferde, die sich schwer biegen lassen oder auf das Gebiss fallen.
Dressurkandare
Bei der Dressurkandare handelt es sich um Stangengebiss mit einem Ober- und einem Unterbaum. Sie wird mit zwei Zügelpaaren und einer Kinnkette geritten. Weiterhin wird eine Unterlegtrense für die Nutzung einer Kandare benötigt.
Wirkung: Durch den Anzug des Kandarenzügels, der im Unterbaum eingeschnallt ist, kippt der Oberbaum nach vorne und übt Druck über das Backenstück aus. Daraufhin wird der Wirkpunkt Genick angesprochen – das Pferd gibt im Genick nach und versteht leichter, dass es sein Gewicht nach hinten verlagern soll. Damit die Hebelwirkung begrenzt wird bzw. für das Pferd nicht überraschend kommt, sollte die Kinnkette so verschnallt sein, dass sie bei einem Winkel von 45° zwischen Kandarenbaum und Maulspalte anspricht.
Bei Kandaren mit geschwungenen Anzügen (z.B. bei Westernkandaren) kann man die Hälfte des Weges der Hebel als Orientierung nehmen.
Der Trensenzügel, der in der Unterlegtrense eingeschnallt ist, wirkt hingegen auf Zunge und Unterkieferlade. Dadurch sind feinere, differenziertere Hilfen möglich, wie es beim Pelham nicht der Fall ist.
Die Kandare ist ein sehr feines Instrument, das dem sehr gut ausgebildeten Pferd den Weg in die Versammlung zeigen kann. Daher kommt die Kandare vor allem bei Dressurreitern in höheren Lektionen zum Einsatz. In der Schlussfolgerung gehört eine Kandare nicht in Anfängerhände oder in das Maul eines Jungpferdes.
Merke: Die Kandare dient auf keinen Fall zum Bremsen und besseren Kontrollieren des Pferdes, sondern zur Verfeinerung der Hilfengebung.
Bauchergebiss
Das Bauchergebiss wird gerne in der barocken und spanischen Reitweise eingesetzt. Das auch Fillistrense genannte Gebiss gibt es mit einfach oder doppelt gebrochenem Mundstück oder als Stange und verfügt über einen kurzen Oberbaum, aber keinen Unterbaum. Daher wird es auch gerne b-Trense genannt.
In dem kleinen Oberbaum wird das Backenstück befestigt, während die Zügel in die Trensenringe geschnallt werden. Das Bauchergebiss wird ohne Kinnkette genutzt.
Wirkung: Durch die Aufhängung in den oberen Ringen verhält sich selbst das gebrochene Bauchergebiss fast wie eine Stange, weshalb es besonders ruhig im Pferdemaul liegt. Das ist besonders bei Pferden mit Hengst- und Wolfszähnen von Vorteil, weil beim Annehmen der Zügel das Gebiss nicht in Richtung dieser Zähne kippt. Durch seine ruhige Lage nimmt es wenig Platz im Maul weg wie eine Stange, wirkt aber (seitlich) wie eine Trense. Ein Bauchergebiss kann daher auch als Unterlegtrense für eine Kandare verwendet werden, da beide Gebisse nicht zusammenstoßen.
Gleichzeitig bietet das b-förmige Seitenteil eine leichte Begrenzung und wirkt demnach seitwärtsweisend, ähnlich einer Schenkeltrense.
Obwohl das Bauchergebiss einen Oberbaum hat, wirkt es nicht auf das Genick. Denn beim Annehmen der Zügel entsteht ein Zug an den Gebissringen, der Oberbaum klappt leicht nach vorne außen, wodurch die Backenstücke gelockert werden und damit kein Druck im Genick entsteht. Viel mehr wirkt es durch das Nachvornekippen auf die Maulwinkel und wirkt leicht aufrichtend.
Was ist besser – ein einfach gebrochenes oder doppelt gebrochenes Gebiss?
Die wenigsten Reiter reiten ihr Pferde auf Kandare oder einem anderen Stangengebiss. Einfach und doppelt gebrochene Wassertrensen gehören zu den am meisten gekauften Trensengebissen. Ursprünglich war die Meinung, dass ein doppelt gebrochenes Gebiss einem einfach gebrochenem Gebiss vorzuziehen wäre, weitverbreitet. Denn ein einfach gebrochenes Gebiss könne unter Zügelzug zum „Nussknackereffekt“ führen. Es stimmt, dass sich beim Annehmen des Zügels das einfache Gelenk wie ein Dach aufstellen und sich in den Gaumen bohren kann, während die Seitenteile in die unteren Laden drücken. Jedoch kann das Pferd diesem Druck entgehen, indem es das Gebiss mit der Zunge nach oben anhebt und damit von seinen Laden wegdrückt.
Bei einem doppelt gebrochenem Gebiss ist das hingegen nicht möglich. Dieses umschließt die Zunge geschlossen und das Pferd hat nicht die Möglichkeit dem Druck durch Anheben der Zunge zu entweichen. Selbst bei hingegebenen Zügel liegt das Gebiss breitflächig auf und übt Druck aus. Kommt nun noch Zügelzug hinzu, kann der Druck auf Laden und Zunge bei einem doppelt gebrochenem Gebiss im schlimmsten Fall sogar quetschen.
Welche der beiden Gebissvarianten nun besser ist, lässt sich per se nicht sagen. Das Mundstück ist immer im Zusammenhang mit den Seitenteilen und der Reiterhand zu beurteilen. Den Weg zum passenden Gebiss kannst du im nächsten Kapitel nachlesen.