Gebisslos Reiten: Für welches Pferd eignet sich ein gebissloser Zaum?

Gebisslos Reiten ist der Traum von vielen Reitern. Das Freiheitsgefühl beim Reiten zu haben, gegenseitigen Respekt und volles Vertrauen in den Partner. Aber kann wirklich jeder Reiter und jedes Pferd gebisslos reiten?

Gebisslos reiten kann man auf unterschiedliche Weise tun. Generell bedeutet es, dass das Pferd zwar einen Zaum trägt, in den aber kein Mundstück verschnallt wird. Stattdessen werden die Zügel an seitlichen Ringen oder Rädchen eingehängt. Es geht aber auch ganz ohne Zaum. Auch das Reiten mit Halsring kann zum gebisslosen Reiten gezählt werden.

Je nach Verschnallung variiert die Einwirkung des Zaums und kann daher in unterschiedlich starken Abstufungen auf Kinn, Nasenrücken, Backen und Genick wirken. In diesem Ratgeber zeigen wir dir, welche Potenziale gebissloses Reiten mit sich bringt und welcher gebisslose Zaum der richtige für dein Pferd ist.

Gebisslos Reiten mit Halsring

Das Potenzial von gebisslosem Reiten: Warum gebisslos reiten?

Das Pferd gebisslos zu reiten kann aus verschiedenen Beweggründen erfolgen. Beispielsweise bei Zahnproblemen oder Schmerzen an Zunge, Zahnfleisch oder Laden hat sich der Gebisslose Zaum als Übergangszaum erwiesen. In der Jungpferdeausbildung kommt er gerne zum Einsatz, um das Pferdemaul so lange wie möglich sensibel zu halten.

Friese mit Bosal

Manche Pferde haben auch wenig bis gar keinen Platz im Maul, z.B. durch fleischige Zungen oder kurze Maulspalten, weshalb ein Gebiss stören kann und sich kontraproduktiv auf das Reittraining auswirkt.

Hat das Pferd Probleme bei der Anlehnung, verkriecht es sich zum Beispiel hinter der Senkrechten, kann auch hier ein gebissloser Zaum eine sinnvolle Alternative zum Trensenzaum sein und das Pferd zum Strecken animieren. Bedenke aber hierbei, dass immer das Gesamtbild aus Pferd, Reiter, Einwirkung und Ausrüstung analysiert werden sollte.

Abgesehen von den physischen Gründen, für die man gebisslos reitet, ist gebissloses Reiten ein Gewinn für die Beziehung zwischen Mensch und Pferd. Hierbei erhält der Reiter direktes Feedback zur Qualität seiner Hilfen und der bisherigen Ausbildung des Pferdes. Ohne Gebiss zu reiten ist mehr als nur das Mundstück wegzulassen. Denn es bedeutet, an der Partnerschaft zum Pferd zu arbeiten. Nicht nur beim Schritt, von Trense zu gebisslos zu wechseln, auch bei der Wahl des richtigen gebisslosen Zaums muss man die Persönlichkeit des Pferdes kennen. Wie sieht sein Charakter aus? Wie sensibel oder langsam reagiert es auf Körpersignale? Wie groß ist die Motivation des Pferdes den Signalen des Reiters zu folgen? Je besser die Kommunikation zwischen dem Pferd-Reiter-Paar ist, desto leichter und sicherer wird es, auch ohne Trensengebiss erfolgreich zu reiten.

Welche Möglichkeiten des gebisslosen Reitens gibt es?

Gebisslos klingt erst einmal sehr allgemein. Jedoch gibt es, wie auch bei unterschiedlichen Gebiss- und Trensenarten verschiedene gebisslose Zäumungen, die sich in ihrer Wirkung unterscheiden.

Mädchen reitet mit Halsring und streckt die Arme auseinander

Grund hierfür sind variierende Verschnallungen, die bestimmen, wie direkt und präzise die Hilfen beim Pferd ankommen. Generell unterscheidet man unter folgenden gebisslosen Alternativen:

Bosal

Das Bosal, auch kalifornisches Hackamore genannt, wird hauptsächlich beim Westernreiten eingesetzt. Es besteht aus einem Nasenriemen (Bosal), Zügeln (Mecate) und einem Genickstück (Bosallhanger), die alle miteinander verbunden und befestigt sind. Das Bosal wirkt hauptsächlich auf den Nasenrücken des Pferdes. Sowohl Bosal als auch Mecate bestehen oftmals aus geflochtenem Mähnen- oder Schweifhaar und sind dadurch relativ steif, damit das Pferd besser reagiert durch einfaches Anlegen an den Hals. Aufgrund seiner Festigkeit, sollte das Bosal direkt auf die Anatomie der Pferdenase angepasst sein.

Bosal

Sidepull

Sidepull

Das Sidepull ist eine beliebte gebisslose Zäumung, dessen Führung durch seitliche Befestigungen der Zügel durchlaufenden Ringen erfolgt. Bei einseitigem Zügelzug wird Druck auf den Nasenrücken und die entsprechenden Seite der Nase ausgeübt. Daher ist es wichtig, dass das Sidepull auch nicht zu tief sitzt, damit es auf dem festen Teil des Nasenknochens zum Liegen kommt. Gleichzeitig muss auch beim Sidepull auf die Zwei Finger Platz zwischen Nasenriemen und Jochbein geachtet werden.

Das Sidepull wird relativ locker verschnallt. Es eignet sich sehr gut für den Gang ins Gelände. Bei Dressurlektionen, für die eine präzise Hilfengebung von Nöten ist, ist das Sidepull mit seiner eher schwammigen Signalübertragung ungeeignet.

Bitless Bridle

Das Bitless Bridle ist ähnlich wie das Sidepull ausgebaut, mit dem Unterschied, dass sich die Kehlriemen unter dem Pferdekopf kreuzen. Dadurch wird eine stärkere, seitliche Wirkung erzielt. Wird der Zügel auf einer Seite angenommen, erhöht sich auch der Druck auf der gegenüberliegenden Kopfseite. Das Pferd wird sozusagen zur Seite gedrückt, weniger gezogen.

Das Bitless Bridle wirkt auf Kiefer, Backen und Genick. Nachteilig bei dieser Variante kann sein, dass die Hilfen eventuell zeitverzögert ankommen, was für das Pferd missverständlich sein kann.

Bitless Bridle

LG-Zaum

LG-Zaum

Ehemals auch Glücksrad genannt, ist der LG-Zaum eine sowohl einfache, als auch vielfältige gebisslose Zäumung. Dort, wo das Gebiss einer Trense normalerweise eingehängt wird, befindet sich ein Rad mit sechs Speichen. Je nach dem, wo Zügel und Zaum eingeschnallt werden, dreht sich das Rad bei Zügelzug mehr oder weniger und übt damit ebenso unterschiedlich viel Druck auf Nase und Genick aus. Werden die Zügel weiter vorne in Richtung Maul eingeschnallt, ist die Rotation bei Zügelzug größer, was folglich die Hebelwirkung verstärkt und damit mehr Druck ausübt.

Hackamore

Das Hackamore ist die Kandare unter den gebisslosen Zäumungen. Die sogenannten Shanks (hebelartigen Anzüge) üben Druck auf Kinn, Nasenrücken und Genick aus. Je länger die Shanks, desto stärker der Druck. Aber auch schon mit kurzen Anzügen lässt sich viel Druck ausüben. Wird unnachsichtig zu stark an den Zügeln gezogen, kann im schlimmsten Fall das Nasenbein des Pferdes brechen.

Aufgrund der starken Hebelwirkung dieser Variante darf das Hackamore nur von erfahrenen Reiter mit ruhiger und sanfter Hand genutzt werden.

Hackamore

Kappzaum

Kappzaum

Meist zum Longieren eingesetzt, kann der Kappzaum auch beim Reiten genutzt werden. Die seitlichen Ringe, die auf dem Nasenriemen befestigt sind, lassen den Kappzaum in seiner Wirkung der eines Sidepulls ähneln. Da die Ringe bei vielen Kappzaummodellen allerdings nicht direkt seitlich liegen, kann es sein, dass die seitliche Hilfengebung zu wünschen übrig lässt und damit die Hilfen nicht präzise genug erfolgen.

Bei manchen Kappzaum-Modellen gibt es zusätzliche Riemen bzw. Clips, die ein Einhängen eines Gebisses erlauben und damit seine Nutzung vervielfältigen.

Wie genau welche Zäumung wirkt und welches Pferd welchen gebisslosen Zaum begrüßen würde, liest du im nachstehenden Abschnitt.

Welcher gebisslose Zaum passt zu meinem Pferd?

Wenn du einen für dein Pferd passenden gebisslosen Zaum finden möchtest, solltest du verschiedene Punkte analysieren, die über den bloßen Zaum hinaus gehen.

Dein Pferd mit seinem Charakter und seiner Reaktion auf Signale spielt bei der Auswahl eine entscheidende Rolle. Auch die Beziehung zu deinem Pferd darfst du nicht außer Acht lassen. Denn gebisslos reiten ist immer auch eine Respekts- und Vertrauenssache.

Grundsätzlich gibt es je nach Aufbau und Verschnallung unterschiedliche Einwirkungsgrade des Zaums. Gebisslose Zäume wirken entweder einfach oder mehrfach. Bei der einfachen Einwirkung wird entweder Druck auf den Hals ausgeübt (Halsring) oder bei direkter Zügelführung auf Nase oder auf Nase und Wangen.

Bei der mehrfachen Einwirkung wird der Zaum oftmals über Kreuz verschnallt, sodass er Druck auf Nase und Wangen oder auf Nase, Wangen und Genick ausübt. Je nachdem, was dein Pferd für ein Typ ist, solltest du einen Zaum mit entsprechender Einwirkung wählen.

Verschnürung des Bitless Bridle
mehrfache Einwirkung durch überkreuzte Kehlriemen

Zaum für starke Pferde mit eigenem Kopf:

Pferde, die öfter ihren eigenen Kopf durchsetzen oder mit dem Kopf durch die Wand rennen wollen, brauchen einen Zaum mit mehrfacher Einwirkung. Stimmt die Beziehung und die Abstimmung zwischen Reiter und Pferd, kann auch auf einen Zaum mit weniger Einwirkung umgestiegen werden. In Gefahrenmomenten, wie im Gelände, bei denen man energischer durchgreifen muss, ist ein Zaum mit mehrfacher Einwirkung aber immer sinnvoll. Bei starken Pferden, die eine klare Anweisung und konstante Anlehung brauchen, bietet sich ein Bitless Bridle an. Das übt durch die gekreuzten Kinnriemen Druck auf Kinn, Backen und Genick und gibt damit klare und differenzierte Signale.

Sensible Pferde mit feinem Nervenkostüm:

Bereits leichter Druck kann bei sensiblen Pferden zu Gegenwehr oder einer Überreaktion führen. Diese Pferde brauchen wenig Motivation, sich zu bewegen. Hier sollte eher die Frage der Bremse geklärt sein. Der erste Schritt ist, an der Bremse ohne Krafteinwirkung zu arbeiten, nämlich durch Gewichts- und Stimmhilfen. Der Zaum darf nicht als Hauptbremse angesehen und das Pferd nicht durch starken Zügelzug zurückgezogen werden.

Zu sensiblen Pferden gehört eine ebenso sensible Reiterhand, die ein Hackamore mit kurzen Anzügen mit Gefühl und Bedacht führen kann. Der Zaum sollte den Druck so schnell wieder zurücknehmen, wie die Reiterhand nachgibt. Es darf kein Dauerdruck entstehen. Das Wechselspiel zwischen Einwirken und Nachgeben ist bei sensiblen Pferden besonders wichtig. Sensible Pferde freuen sich außerdem über einen Zaum mit möglichst wenig Verschnallungen am Kopf.

Gebissloser Zaum für Jungpferde:

Eine gebisslose Zäumung kann eine sinnvolle Ergänzung in der Grundausbildung des Pferdes sein. So bleibt es im Maul lange sensibel und lernt, auf feine Körpersignale zu reagieren, ohne dass es im Maul angerührt wird. Bei Jungpferden, die das Weichen von Druck erst noch lernen müssen, ist eine seitliche Führung durch den Zaum wichtig. Auch brauchen sie eine besonders verständliche Hilfengebung. Für Jungpferde bietet sich daher ein Sidepull an: Ein Sidepull beeinflusst die Kopfposition und kann auch an der Doppellonge verwendet werden. Es leitet sanft und verständlich, erlaubt deutliche, seitliche Impulse und klemmt sich gleichzeitig nicht auf dem Nasenrücken fest, sondern gibt nach, sobald die Reiterhand vorgeht. Für die weitere Ausbildung, wenn feine, differenzierte Hilfen erarbeitet werden möchten, ist das Sidepull eher nachteilig, da seine Übertragung schwammig wirken können.

Ängstliche und extrovertierte Pferde gebisslos reiten:

Ängstliche Pferde oder extrovertierte Pferde, die ihre Unsicherheit deutlich nach außen tragen, brauchen Sicherheit durch eine klare Führung. Dafür eignet sich besonders gut ein gebissloser Zaum mit Rädchen an den Seiten, der je nach Einschnallung eine unterschiedlich starke Wirkung auf Nase und Genick hat. Bis zu einem gewissen Grad verweisen gebisslose Zäume mit Rädchen auch seitwärts. Bei Pferden mit Anlehnungsproblemen sollte man aber von dieser Zäumung absehen, da sie sich gegen den Druck auf die Nase wehren könnten.

Auch ein Hackamore mit kurzen Anzügen kann bei ängstlichen und extrovertierten Pferden zum Einsatz kommen. Ein Hackamore erlaubt jedoch keine klare seitliche Weisung.

Triebige und introvertierte Pferde mit gebissloser Zäumung motivieren:

Nach außen scheinen triebige und introvertierte Pferde oftmals stur oder gar faul zu sein. Im Gegensatz zu extrovertierten Pferden machen sie allerdings bei Druck und Überforderung schnell dicht und verlieren jegliche Motivation, sich anzustrengen oder für den Menschen zu bewegen. Würde dann noch mehr Druck eingesetzt werden, um sie aus ihrer Lethargie herauszuholen, würde sich der Zustand eines introvertierten Pferdes nur verschlimmer. Den Druck rausnehmen ist hier die Devise. Daher sollte bei der Auswahl des gebisslosen Zaums für triebige Pferde auch darauf geachtet werden.

Der Zaum sollte sich nicht feststellen lassen, sondern sofort nachgeben, sobald die Reiterhand nachgibt. Das funktioniert beispielsweise mit einem korrekt sitzenden Sidepull.

Um die Motivation und die Bewegungsfreude aus dem in sich gekehrten Pferden herauszukitzeln, kann auch Reiten mit einem Halsringen eine willkommene Abwechslung sein. Beachte aber hierbei, dass dies lediglich auf einer umzäunten Fläche, wie Reitplatz oder Reithalle, stattfinden sollte.

Westernreiterin mit Halsring