Welche Varianten der Bodenarbeit gibt es?
Vom alltäglichen Umgang mit dem Pferd bis zur gezielten Trainingseinheit auf dem Reitplatz – Bodenarbeit ist wichtig für Pferd und Reiter. Wer seinem Pferd nicht nur die allgemeinen Umgangsregeln beim Führen beibringen will, hat heutzutage eine Vielzahl an Trainingsmethoden vom Boden aus zur Verfügung, die mit dem Pferd ausprobiert werden können.
In der klassischen Reitausbildung ist das Longieren ein fester Bestandteil der Gymnastizierung des Pferdes vom Boden aus. Hierbei wird das Pferd an einer Longe im Zirkel bewegt. Seit einigen Jahrzehnten wird auch das Natural Horsemanship immer beliebter, das häufig mit den modernen „Pferdeflüsterern“ Ray Hunt, Monty Roberts, Pat Parelli und Buck Brannaman in Verbindung gebracht wird.
Wir stellen dir in unserem Ratgeber die beliebtesten Trainingsmethoden im Überblick vor. Nähere Informationen findest du in den Themen-Ratgebern:
1. Longieren
Die Arbeit an der Longe ist ein wichtiger Bestandteil in der Ausbildung von Pferd und Reiter. Das Pferd muss die Arbeit an der Longe genauso erlernen, wie der Longenführer die Technik und Hilfengebung. Ziel ist es, das Pferd nicht nur an der Longe laufen zu lassen und zu bewegen, sondern es auch gezielt zu gymnastizieren. Das Longieren hat sich auch in der Arbeit mit Jungpferden als erster Ausbildungsschritt bewährt. Sie können auf diese Weise behutsam an den Umgang mit Menschen gewöhnt werden und erlernen – zunächst ohne Sattel und Reitergewicht – die Basics der Ausbildungsskala sowie erste Lektionen. Zudem kann sich das Pferd auch auf das Verstehen und Annehmen der Hilfen fokussieren, die dann auch vom Sattel aus erweitert werden können.
Ziele:
- Gymnastizierung
- Balance
- Vorbereitung auf das Reiten
- Ausbildungsskala des Pferdes
Equipment:
- Longe oder Doppellonge
- Trense oder Kappzaum
- Longierpeitsche
- Hilfszügel
- Longiergurt
Geeignet für:
- alle Pferde
- vor allem Jungpferde in Ausbildung
- Pferde im Muskulaturaufbau
- verspannte Pferde
- Pferd-Reiter-Paare, die an der Ausbildungsskala arbeiten möchten
Im Ratgeber Longieren findest du weitere Informationen zu den Grundlagen der Longenarbeit. Wir beraten dich bei der Zusammenstellung deiner Longierausrüstung und helfen dir bei den ersten Steps der Longenarbeit weiter.
2. Horsemanship
Horsemanship sollte weniger als Trainingsmethode und vielmehr als Denkart im Umgang mit dem Pferd verstanden werden. Im Grunde genommen bezeichnet es den artgerechten und vertrauensvollen Umgang mit dem Pferd. Ein Horseman ist ein Pferdemensch, der sich an den Bedürfnissen des Pferdes orientiert und diese im täglichen Umgang und in der Arbeit – sowohl vom Boden aus, aber auch im Sattel – jederzeit berücksichtigt. Um diese vertrauensvolle Verbindung aufzubauen, hat sich das bewusste Arbeiten vom Boden aus etabliert.
Der Begriff „Horsemanship“ stammt aus den USA und hat sich durch einige berühmte „Horsemen“ wie Ray Hunt, Monty Roberts oder Pat Parelli auch weltweit einen Namen gemacht. Da die großen Persönlichkeiten des Horsemanship eher im Westernbereich zu verorten sind und ihre reiterlichen Ursprünge auf die Ranch-Arbeit zurückgehen, kommen auch viele Anhänger dieser Philosophie aus dem Westernreitsport. Dabei ist das harmonische Miteinander von Pferd und Reiter eigentlich das Idealbild in jeder Reitsportdisziplin. Auch Anhänger der englischen Reitweise interessieren sich mittlerweile für Horsemanship und setzen solche Trainings bewusst als Abwechslung im Trainingsplan und als Erweiterung des reiterlichen Horizonts ein.
Ziele:
- Fördern der Reiter-Pferd-Bindung
- Gegenseitiges Vertrauen
- Lernen, Pferd zu verstehen
- Verbesserung der Körpersprache
- Fairer und artgerechter Umgang mit dem Pferd
Equipment:
- Knotenhalfter
- Rope
- Halsring
- Horsemanship Stick
Geeignet für:
- Reiter-Pferd-Paare, die an Vertrauen arbeiten möchten
- Alle Reiter, die das Verhalten von Pferden besser verstehen und bewusster damit umgehen möchten
- Pferde mit schwierigen Verhaltensweisen
Im Ratgeber Horsemanship findest du weitere Informationen zu den Grundlagen des Horsemanship. Wir erklären dir, welches Zubehör du dafür brauchst und welche ersten Übungen sich eignen, um die Horsemanship besser kennen zu lernen.
3. Dualaktivierung
Die Dualaktivierung wurde von Michael Geitner entwickelt, der auf einer der ersten Western-Ranches Deutschlands aufwuchs. Die Dualaktivierung arbeitet mit visuellen Reizen mit blauem und gelbem Equipment, wie den Dual-Gassen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Pferde die Farben Blau und Gelb besonders gut wahrnehmen, andere Farbtöne verlaufen eher in Grauschattierungen. Mithilfe der Dual-Gassen wird ein Parcours aufgebaut, der vom Boden aus oder beritten bewältigt wird. Die verschiedenfarbigen Dual-Gassen geben dem Pferd Orientierung und trainieren somit auch die Balance, Koordination und die Konzentration. Neben der Dualaktivierung hat Michael Geitner auch noch weitere Trainingssysteme aufgebaut, wie die Equikinetic oder das Equiplace-Training, die ergänzend zur Dualaktivierung angewandt werden können.
Ziel:
- Verbesserung der Balance
- Aktivierung der Hinterhand
- bessere Koordination
- Vertrauensarbeit
Equipment:
- Dual-Gassen
- Dual-Aktivierungs-Pylonen
- Aktivierungsfahne
- Kappzaum
Geeignet für:
- Pferd-Reiter-Paare, die das Teamgefühl stärken wollen
- Pferde mit Bedarf an Gymnastizierung und Muskelaufbau
- Pferde, die Probleme mit der Balance und Koordination haben
- Reiter, die mehr Struktur ins Training bringen wollen
Im ausführlichen Ratgeber zu Michael Geitners Dual-Aktivierung stellen wir dir das Prinzip näher vor und helfen dir bei der Auswahl des richtigen Equipments für die Dual-Aktivierung.
4. Monty Roberts
Monty Roberts zählt zu den bekanntesten Pferdeflüsterern weltweit. Er wuchs als Sohn eines Pferdetrainers in Kalifornien auf einer Ranch mit wilden Mustangs auf. Sein Vater verhielt sich gegenüber ihm und auch gegenüber den Pferden gewalttätig. Diese Umstände und seine Gabe, das instinktive Verhalten und die Sprache der Pferde zu beobachten, haben ihn dazu inspiriert, eine gewaltfreie und natürliche Umgangsform mit den Pferden zu finden. Seine Join-Up-Methode fasst die natürlichen Verhaltensweisen der Pferde auf und lehrt den Menschen die Sicht und die Sprache der Pferde anzunehmen. Das Join-Up wird klassischerweise in einem Roundpen durchgeführt. „Join-Up“ kann laut Monty Roberts frei übersetzt werden als „sich freiwillig melden“. Da das Pferd als Herdentier ein natürliches Bedürfnis hat, sich einer Gemeinschaft anzuschließen, soll dies auch zwischen Mensch und Pferd möglich sein.
Ziel:
- Vertrauen zwischen Mensch und Pferd stärken
- Die Sprache der Pferde für die Kommunikation zwischen Pferd und Mensch nutzen
- gewaltfreies Zähmen und Bewältigung von schwierigem Verhalten
Equipment:
- Monty Roberts Dually Halfter
- Lead Line
Geeignet für:
- Reiter, die am Vertrauen arbeiten wollen
- Jungpferde
- Pferde mit schwierigen Verhaltensweisen
Lies mehr zur Join-Up-Methode im Ratgeber zu Monty Roberts. Zudem gehen wir auch genauer auf das Monty Roberts Zubehör ein.
5. Horse Walking
Horse Walking ist eines der neueren Konzepte, das in den letzten Jahren im Bereich der Bodenarbeit entstanden ist. Es soll Spaß und Abwechslung in die Bodenarbeit mit dem Pferd bringen und stellt für viele, die bewusst auf das Reiten verzichten oder aus gesundheitlichen Gründen nicht reiten können, eine echte Alternative zum Training im Sattel dar. Horse Walking kann praktisch überall angewandt werden – egal ob auf dem Reitplatz, im Gelände oder auf einem Trailparcours. Die Grundidee des Horse Walking ist, die nonverbale Kommunikation zwischen Pferd und Mensch zu fördern und dadurch ein respektvolles und vertrauensbasiertes Miteinander zu erreichen. Klare Signale sollen die gemeinsamen Aktivitäten harmonischer gestalten, sodass Pferd und Reiter angstbefreit, konzentriert und motiviert zusammenarbeiten können.
Ziel:
- Spaß und Abwechslung mit dem Pferd
- Verbesserung der Körpersprache
- Verbesserung der Beziehung zwischen Mensch und Pferd
- Förderung Kondition beim Reiter
- Pferdeausbildung
- fördert die Aufmerksamkeit und Konzentration von Pferd und Mensch
Equipment:
- (Knoten-)Halfter oder Kappzaum
- Führstrick/Leitseil
- Hilfsmittel: lange Gerte, (Fahr-)Peitsche, Stick
Geeignet für:
- Pferdeinteressierte, die nicht reiten möchten
- Pferde, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geritten werden können
- Jungpferde
- guckige Pferde
- ängstliche Pferd-Reiter-Paare
Weiterführende Informationen zum Horse Walking Konzept findest du in unserem Ratgeber.
6. Gelassenheitstraining
Pferde haben einen ausgeprägten Fluchtinstinkt und reagieren aus diesem Grund bei drohender Gefahr sehr schreckhaft. Die Sinnesorgane der Pferde sind ein optimales Frühwarnsystem – so befinden sich die Augen seitlich am Kopf, damit das Pferd nahezu einen Rundumblick hat. Auch der Geruchssinn und der Hörsinn sind stark ausgeprägt. Je schärfer die Sinne eines Lebewesens, umso sensibler sind sie in ihren Verhaltensweisen. Ein lauter Knall, ein herabfallender Ast, der Geruch nach Verbranntem… das alles sind Sinnesreize, die das Pferd in den Notfallmodus versetzen können. Die Folge: der Fluchtinstinkt und der Selbsterhaltungstrieb setzt ein, das Pferd schreckt, läuft davon oder es beginnt zu steigen oder zu treten.
Durch regelmäßiges Gelassenheitstraining – auch Schreck-Training oder Anti-Schreck-Training genannt – können Pferde behutsam an ungewohnte Situationen herangeführt werden. Eine wichtige Voraussetzung hierbei ist, dass man als Reiter selbst „cool bleibt“, die Trigger-Objekte gemeinsam mit dem Pferd erkundet und ihm die Zeit einräumt, die das Pferd benötigt, um gelassen mit der neuen Situation umzugehen.
Ziel:
- Förderung des Vertrauens zwischen Pferd und Reiter
- Angstbewältigung
- Vorbereitung auf ungewohnte Situationen
- Minderung des Unfallrisikos
Equipment:
- Flattervorhang
- Bällevorhang
- Plane
- Luftballons
- Regenschirm
- Flaggen
- Rasseln
- räumliche Hindernisse (Tore, Pferdehänger, Wassergräben)
- u.v.m.
Geeignet für:
- ängstliche Pferde
- unsichere Reiter
- Pferd-Reiter-Paare, die das gegenseitige Vertrauen fördern möchten
Ausführliche Tipps und Inspirationen für das Gelassenheitstraining findest du im Ratgeber.